Dieser Artikel erschien im Januar 2021 in der 10. Ausgabe der Hofer Zeitung.
Das SPD-Mitglied Miriam Wunder ist von Beruf Pflegedienstleiterin eines ambulanten Pflegedienstes. Für die Hofer Zeitung berichtet sie aus ihrem Berufsalltag in Zeiten von Corona.
„Als Leitung eines ambulanten Pflegedienstes ist es meine Aufgabe, Klientinnen und Klienten und natürlich auch meiner Belegschaft eine hygienische, liebevolle und professionelle Arbeitsatmosphäre zu bieten. Doch in Zeiten von Covid-19 ist es gar nicht so einfach, all diese unverzichtbaren Anforderungen mit Leichtigkeit umzusetzen.
Da man nicht weiß, welche negativen Überraschungen der nächste Tag mit sich bringen könnte, ist die Angst zu einem ständigen Gefühl in unserem Arbeitsalltag geworden – sowohl seitens meiner Mitarbeitenden als auch bei mir, denn ich muss mir ständig die Frage stellen, wie ich den Dienst noch sicherstellen kann, wenn sich mehrere Pflegekräfte in Quarantäne begeben müssen und somit ausfallen werden. Gleichzeitig ist es nun zu meiner Aufgabe geworden, meine Angestellten zu motivieren, denn die sonst so selbstverständlichen pflegerischen Fähigkeiten werden nun zu großen Herausforderungen. Nicht nur das Tragen der Masken erschwert die alltäglichen Aufgaben, sondern auch die soziale Distanz, die aus Sicherheitsgründen eingehalten werden muss. Oftmals begreifen die Klientinnen und Klienten die neue Situation nicht. Vor allem an Demenz Erkrankte verstehen nicht, weshalb das vertraute Gesicht der Pflegekräfte auf einmal hinter einer Atemschutzmaske versteckt wird und warum sämtliche körperliche Kontakte, wie Händeschütteln und Umarmungen zur Begrüßung eingeschränkt werden müssen. Körperliche Zuneigung ist ein wichtiger Faktor, um ein vertrautes und sicheres Gefühl zu vermitteln, zumal viele die Nähe brauchen, denn oftmals ist die Pflegeperson zugleich die einzige Bezugsperson, da sie keine Angehörigen mehr haben oder aufgrund räumlicher Distanz nur selten sehen.
Es ist verständlich, dass einige Klientinnen und Klienten wegen der Angst vor Ansteckung unseren Dienstleistungen absagen oder dass diese auch nicht geleistet werden können, da man ein Zusammenkommen von zu vielen Haushalten zum Schutz beider Parteien vermeiden möchte. Dies bedeutet allerdings, dass Einnahmen ausfallen, aber trotzdem viele notwendige Ausgaben bzw. laufende Kosten getätigt werden müssen. Wir sind ein kleiner Verein, der sich finanziell selbst tragen muss und auf alle Dienstleistungen angewiesen ist. Doch durch den vermehrten Wegfall dieser ist schwer einzuschätzen, wie lange wir die monatlichen Ausgaben noch zahlen können.
Neben den persönlichen und finanziellen Herausforderungen kommt natürlich auch noch die Knappheit an Pflegematerial hinzu. Einweghandschuhe sind momentan nur sehr schwer zu bekommen und wenn doch, dann zum doppelten Preis. Das Gleiche gilt bei den Masken, vor allem FFP2, oder bei Flächen- und Handdesinfektionsmitteln. Diese müssen von verschiedenen Firmen bestellt werden, da der Vorrat nicht mehr reicht. Zudem kommt noch, dass man sich vor Schein- oder sogenannten Fake-Firmen hüten muss, die einen Nutzen aus der schwierigen Situation ziehen und ungeprüftes Material anbieten.
Leider ist mein persönliches Gefühl, dass die ambulante Pflege von der Politik und dem gesamten Umfeld ein wenig vergessen und nicht wirklich wahrgenommen wird. Es wird einerseits oft nicht daran gedacht, dass durch ambulante Pflegedienste, Krankenhaus- oder Pflegeheimaufenthalte vermieden werden können. Andererseits vergessen viele häufig, dass Mitarbeitende eines ambulanten Pflegedienstes ein erhöhtes Risiko haben, angesteckt zu werden, da sie mit mehreren Haushalten zusammenkommen. Dementsprechend ergibt sich die Folge, dass die Ansteckungskette ambulant viel schwerer nachzuvollziehen ist als stationär und es schwieriger ist, im Falle einer Infektion zu handeln.
Trotzdem kann man allerdings durchaus sagen, dass die Corona-Zeit auch ein paar positive Aspekte mit sich bringt: Die Besinnung auf das Wesentliche, die Entschleunigung des sonst so hektischen und stressigen Arbeitsalltags und das Aufarbeiten von Tätigkeiten, die schon länger zurückliegen. Mein Wunsch: Ganz besonders wichtig ist es gerade jetzt zusammen zu halten, damit wir gemeinsam gestärkt aus dieser außergewöhnlichen Zeit herauskommen.“
Über die Autorin
Miriam Wunder, 41 Jahre, arbeitet als stellv. Pflegedienstleitung und ist Projekt- und Kommunikationsbeauftragte beim ASD e.V. (ambulante sozialpflegerische Dienste).